Gebäudeenergiegesetz vom Bundestag verabschiedet

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Am 18. Juni 2020 hat der Bundestag das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) verabschiedet. Der Bundesrat muss dem Gesetz noch zustimmen, was allerdings als Formsache gilt und vermutlich im Juli geschehen wird. Das GEG wird daher voraussichtlich im Oktober in Kraft treten.

Auf den ersten Blick wirkt das GEG wie ein sehr umfangreiches Gesetzespaket, doch der Eindruck täuscht. Allzu viel Neues enthält es nicht. Im Wesentlichen werden bestehende Vorschriften aus dem Energieeinspargesetz, der Energieeinsparverordnung und den für den Gebäudesektor relevanten Teilen des Erneuerbare Energien Gesetzes zusammengeführt.

Energiewende im Gebäudesektor

Fast genau ein Drittel des Energieverbrauchs in Deutschland (33,2 Prozent) entfällt nach Angaben des Bundesumweltamts auf den Gebäudesektor. Allein diese Zahl verdeutlicht, dass die Klimaziele der Bundesregierung ohne eine Senkung des Energieverbrauchs in Gebäuden nicht erreichbar sind.

Dies ist der wichtigste Grund, warum der Bundestag nun das Gebäudeenergiegesetz verabschiedet hat: Das Gebäudeenergiegesetz regelt die Energiewende im Gebäudesektor.

Wohn- und Baubranche zeigen sich zufrieden

Es ist lange her, als sich die Unternehmen des Gebäudesektors positiv über gesetzliche Änderungen äußerten. In den letzten Jahren wurden die regelmäßigen Änderungen der Energieeinsparverordnung stets von Warnungen vor steigenden Baukosten und Mieten begleitet.

Dass dieses Mal alles anders ist, liegt nicht etwa daran, dass die ökologischen und energetischen Standards für Gebäude gesenkt wurden – das ist nicht der Fall. Aber indem er des Gebäudeenergiegesetz verabschiedet hat, ist der Bundestag von seiner bisherigen Strategie der detaillierten technischen Vorgaben abgerückt. Wie das gesamte Erneuerbare Energien Gesetz folgten auch die Regelungen für Bauherren dem Ansatz, bestimmte Technologien zu fördern.

Das Gebäudeenergiegesetz verfolgt stattdessen einen technologieoffenen Ansatz. Das bedeutet, dass das Ergebnis zählt, nicht die Methoden. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen:

Wenn ein Gebäude durch die Fassade zu viel Wärme verliert, ist keine Dämmung mehr vorgeschrieben. Vorgeschrieben ist nur, den Primärenergiebedarf zu senken. Dies kann beispielsweise auch geschehen, indem der erhöhte Wärmebedarf durch eine Solarthermieanlage oder andere umweltfreundliche Technologien gedeckt wird.

Was müssen Bauherren beachten?

Für private Bauherren ergeben sich aus dem Gebäudeenergiegesetz keine Verschärfungen der energetischen Standards. Es gelten nach wie vor die in der Energieeinsparverordnung festgelegten Grenzwerte für den Energieverbrauch. Diese wurden ins Gebäudeenergiegesetz übernommen.

Es gibt allerdings gute Gründe, über diese Standards hinauszugehen. Der heutige gesetzliche Mindeststandard für Neubauten entspricht dem früheren Effizienzhaus 55. Das bedeutet, dass der Primärenergiebedarf des Gebäudes 55 Prozent des vor der Energiewende typischen Energiebedarfs eines Gebäudes betragen darf. Wer sich stattdessen für einen höheren Standard wie das Effizienzhaus 40 oder das Passivhaus entscheidet, kann dafür weiterhin die zahlreichen Förderprogramme der KfW in Anspruch nehmen.

Vielleicht noch wichtiger ist aber, dass diese Standards vermutlich auch künftigen Anforderungen entsprechen werden. Das Gebäudeenergiegesetz sieht eine Überprüfung der jetzt festgelegten Standards im Jahr 2023 vor. Diese Überprüfung ist weit mehr als eine Formalität, weil der Bundestag unter dem Eindruck der aktuellen schwierigen Lage auf dem Wohnungsmarkt das Gebäudeenergiegesetz verabschiedet hat.

Das Ziel bestand auch darin, die Schaffung neuen Wohnraums nicht weiter zu verteuern. Dabei hat der Bundestag in Kauf genommen, dass die Beibehaltung der bestehenden Regelungen vermutlich nicht ausreichen wird, die ehrgeizigen Klimaziele der Bundesregierung für das Jahr 2030 zu erreichen. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass ein heute nach gesetzlichen Mindeststandards gebautes Haus im Jahr 2023 schon nicht mehr den Anforderungen genügt.

Der Gesetzgeber wird 2023 die Eigentümer von ein oder zwei Jahren alten Häusern sicher nicht zu einer energetischen Sanierung verpflichten. Aber den Immobilien droht ein empfindlicher Wertverlust, wenn sie ab 2023 nicht mehr den energetischen Mindestanforderungen genügen.

Mehr Bedeutung für Photovoltaikanlagen

Die Photovoltaik galt seit einiger Zeit als Auslaufmodell in Deutschland, da die im Erneuerbare Energien Gesetz festgelegte Grenze von 52 Gigawatt installierter Leistung für die Förderung erreicht war. Diese Grenze wurde nun gestrichen.

Darüber hinaus wurde die Bedeutung der Photovoltaik im Gebäudeenergiegesetz deutlich aufgewertet, weil Photovoltaikanlagen unter bestimmten Voraussetzungen auf den Primärenergiebedarf angerechnet werden. Ein Anlage mit Stromspeicher kann den rechnerischen jährlichen Primärenergiebedarf um bis zu 45 Prozent senken. Damit kann das Gebäude in eine höhere Effizienzklasse fallen. Die damit verbundene zusätzliche Förderung ist meist deutlich rentabler als die ohnehin nur noch kostendeckende Einspeisevergütung für Solarstrom.

Bauherren können flexibler planen

Für den privaten Bauherren und sein Einfamilienhaus sind die Änderungen überschaubar. Er kann freier entscheiden, wie er den vorgeschriebenen Energiestandard erreicht. Aber von den zusätzlichen Möglichkeiten wird vermutlich in der Praxis nur die Anrechenbarkeit der Photovoltaik auf den Primärenergiebedarf nennenswerte Wirkung entfalten.

Deutlich größer sind die Möglichkeiten bei größeren Wohnanlagen oder im Bereich gewerblicher Immobilien. Wohnungsbaugesellschaften werden vermutlich den neuen so genannten „Quartieransatz“ verstärkt nutzen, der eine Einhaltung der Obergrenzen des Energieverbrauchs nur noch im Durchschnitt einer Wohnanlage fordert.

Statt alte Gebäude zu dämmen oder anderweitig energetisch zu sanieren, können diese nun zusätzliche energieeffiziente Gebäude errichten und so dafür sorgen, dass im Durchschnitt die Grenzwerte eingehalten werden. Eine weitere zusätzliche Option ist die Anrechnung synthetischer Brennstoffe als regenerative Energiequelle. Noch gibt es dafür im Wohnungsbau kaum Anwendungen, aber die Idee des technologieoffenen Ansatzes besteht genau darin, die Entwicklung neuer Lösungen anzuregen.

Schlupfloch oder Experimentierfeld?

Zusammenfassend gilt von nun an für zunächst drei Jahre, dass so ziemlich alles an Klima- und Heiztechnik erlaubt ist, solange die Obergrenzen für den Bedarf an Primärenergie eingehalten werden. Die Reaktionen der Oppositionsparteien im Bundestag und der verschiedenen Interessenverbände waren ziemlich gut vorhersehbar. Die einen wittern überall Schlupflöcher, um die Klimaauflagen zu umgehen. Die anderen begrüßen begeistert, dass die technischen Vorgaben des Erneuerbare Energien Gesetzes entfallen und ein Wettbewerb um die besten Lösungen möglich wird.

Wie seht ihr das? Ist das Gebäudeenergiegesetz ein klimapolitischer Rückschritt oder eine Chance für neue Ideen? Wir sind auf eure Meinung gespannt.

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