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Wohl jeder Mensch möchte in Frieden leben. Doch das ist kaum möglich, wenn sich zwei Nachbarn erst einmal so richtig in die Haare kriegen. Wie aber haben sich beide Parteien nun zu verhalten, welche Tipps zur Schlichtung werden empfohlen und wie können die Kosten für ein Rechtsverfahren durch die Versicherung übernommen werden?
Etwa jeder dritte Bundesbürger soll Untersuchungen zufolge bereits einen Nachbarschaftsstreit geführt haben. Zu laute Musik, ein ungepflegter Garten, der Lärm spielender Kinder – Ursachen für einen Zwist lassen sich fast immer finden.
Doch auch schlechte Gerüche oder der vom angrenzenden Balkon herüberwehende Zigarettenrauch können für Ärger sorgen. Insbesondere dann, wenn ein solcher Zustand über Monate oder sogar Jahre anhält.
Immer Ärger mit dem (sturen) Nachbarn
Irgendwann ist der Geduldsfaden des Betroffenen schließlich an seinem Ende angelangt. Was dann passiert, liegt in der Charakteristik beider Widersacher: Finden sie eine sachliche Lösung oder lassen sie eine offene Auseinandersetzung entstehen?
Oft entscheidet das Gemüt der Streithähne, ob sich die Wogen glätten lassen. Ist man hüben wie drüben zu Einsicht und Rücksichtnahme bereit, kann manches Problem behoben werden.
Genau daran mangelt es vielen Personen aber. So wird auf beiden Seiten des Zaunes auf das eigene Recht gepocht – dass sich davon jemand belästigt oder sogar eingeschränkt fühlen könnte, wird gar nicht erst bedacht.
Immer wieder haben sich die Gerichte daher mit Sachverhalten auseinanderzusetzen, die an sich recht simpel und zuweilen sogar lustig wirken – die tatsächlich aber tiefe Gräben zwischen zwei Haushalte gerissen haben, die sich in vielen Fällen selbst nach einem Urteil nicht mehr schließen lassen.
Das Nachbarschaftsrecht – was ist das eigentlich?
Doch wie genau haben die Juristen in solchen Situationen eigentlich vorzugehen? Denn der Blick in das Gesetzbuch verrät unverblümt, dass es ein isoliertes und für sich zu betrachtendes Nachbarrecht zumindest in Deutschland gar nicht gibt.
Dennoch existieren in diversen Rechtsgebieten solche Normen, die das Zusammenleben verschiedener Menschen möglichst friedlich gestalten sollen. In welchem Maße also Geräusche oder Gerüche ihren Weg über den Gartenzaun finden dürfen, ist sehr wohl gesetzlich geregelt.
Juristisch stellt die Nachbarschaft ein besonderes Gemeinschaftsverhältnis dar. Ein solches ist einerseits dadurch gekennzeichnet, dass sich beide Haushalte fremd sein können. Andererseits besteht zwischen ihnen dennoch die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme.
Die Rechte und Freiheiten der nur unweit voneinander wohnenden Personen müssen beachtet und eingehalten werden. Insofern sind immer auch gewisse Einschränkungen zu akzeptieren.
Dass etwa im Sommer am Abend einmal Musik aus dem Garten zu hören ist oder dass der Geruch des dort betriebenen Grills in der Luft liegt, gehört unter Nachbarn zum Alltag. Derlei darf daher nicht zum Zwist führen, sondern muss in bestimmten und vor allem vernünftigen Maßen geduldet werden.
Die gesetzlichen Grundlagen des Nachbarschaftsrechts
Lässt sich ein Nachbarschaftsstreit dennoch einmal nicht vermeiden, wird das Nachbarrecht bemüht. Da ein solches aber in eigenständiger Form nicht existiert, müssen unterschiedliche Normen des Zivil- und Strafrechtes zitiert werden.
Die Befugnisse des Grundstückseigentümers ergeben sich dabei aus § 903 des Bürgerlichen Gesetzbuches. § 904 BGB nennt darüber hinaus Situationen, in denen der Betroffene gegen nicht duldbare Zustände vorgehen kann. Ob also Äste und Wurzeln auf das angrenzende Grundstück reichen dürfen (§ 910 BGB), ob Gerüche und Musik als störend einzustufen sind (§ 906 BGB) oder ob nahe am Zaun eine gefährliche Anlage betrieben werden darf (§ 907 BGB) lässt sich dem Zivilrecht entnehmen.
Der Blick der Betroffenen sollte aber auch dem öffentlichen Recht und dabei vornehmlich dem Baurecht gewidmet werden. So ergibt sich meist erst aus diesen Normen konkret, wie nahe etwa an Zäunen gebaut werden darf, ob Notwege zwischen zwei Grundstücken eingeplant werden müssen oder wie hoch ein Gebäude überhaupt ausfallen darf.
Wer sich subjektiv in seinen Freiheiten eingeschränkt fühlt, darf seine Rechte daher einerseits gegen den Nachbarn, andererseits aber auch gegen die kommunal zuständige Baubehörde geltend machen. Im Gegenzug gilt: Nicht immer ist der Eigentümer des angrenzenden Grundstückes der korrekte Ansprechpartner für den eigenen Frust.
Greift die private Rechtsschutzversicherung beim Nachbarschaftsstreit?
Das Nachbarschaftsrecht führt neben den genannten Aspekten aber auch zu weiteren Fragen. So etwa: Wer kommt eigentlich für Beratungen, etwaige Verhandlungen und sonstige Einbußen auf, wenn hüben wie drüben die Fetzen fliegen?
Eigentümer und Mieter einer Immobilie sollten daher beachten, dass sie eine Wohnungs- oder Grundstücksrechtsschutzversicherung abschließen. Oft lässt sich in ihrem Rahmen die Übernahme der Kosten für Streitigkeiten durch den Versicherer auswählen.
Allerdings kann es inhaltlich zu erheblichen Unterschieden kommen. Während einige Policen lediglich einen ersten anwaltlichen Rat finanzieren, darf bei anderen Anbietern auf die Übernahme der Auslagen des kompletten juristischen Verfahrens gehofft werden.
Auch herkömmliche Rechtsschutzversicherungen können in den Fällen des Nachbarschaftsrechts zur Anwendung kommen. Sie greifen grundsätzlich bei allen Fragen rund um das Zusammenleben. Allerdings wird bei ihnen meist nur eine allgemeine anwaltliche Beratung übernommen.
Der Kontakt zu einem Fachjuristen des Miet-, Bau- oder Wohnrechtes ist hier nur in Ausnahmen möglich. Liegen solche nicht vor, bleibt der Betroffene häufig selbst auf den anfallenden Kosten sitzen.
Es lohnt sich daher, eine spezielle Rechtsschutzversicherung für Mieter und Eigentümer abzuschließen – auch, wenn heute noch kein Wölkchen den Nachbarschaftshimmel zu trüben scheint. Vielleicht ändert sich die Lage ja bereits morgen grundlegend.
Die außergerichtliche Einigung beim Nachbarschaftsstreit
Allerdings weisen die Fälle im Nachbarrecht oft eine Gemeinsamkeit auf: Es treffen zwei Parteien aufeinander, die sich jeweils subjektiv in ihren Rechten bedroht fühlen – die aber kaum über genügend Beweise verfügen, um eine objektive Bewertung des Sachverhaltes zu ermöglichen.
Entsprechend raten viele Juristen zu einer außergerichtlichen Einigung. Diese spart oft Zeit und Geld und führt zudem eine gemeinsame Lösung des Problemes herbei – statt per Urteil lediglich einer Seite das Recht zuzusprechen. Denn der gerichtlich behandelte Nachbarschaftsstreit gewährleistet nur selten einmal, dass anschließend Ruhe und Frieden auf beiden Seiten des Gartenzaunes herrscht.
Gelingt es in der beiderseitigen Kommunikation nicht, die Ursache des Zwistes zu beseitigen, so können Schiedsstellen helfen. Sie werden von immer mehr Städten und Kommunen eingerichtet und finanziell gefördert. Hier kommen die beiden Betroffenen zu Wort und werden eingeladen, gemeinsam an der Behebung der Streitursache zu arbeiten.
Lässt sich der Gang vor das Gericht dennoch nicht vermeiden, wird eine Güteverhandlung angeraten. Sie kann vor oder während des juristischen Verfahrens stattfinden – bei ihr wird eine einvernehmliche Streitbeilegung angestrebt.
Zwei Möglichkeiten, um die Beurteilung des Sachverhaltes durch einen Richter zu vermeiden. Und, um die Basis für ein friedliches Zusammenleben in der Zukunft zu legen.
Bildquelle: woodpecker65 | Unsplash